Unordnung und Unsicherheit in großstädtischen Wohngebieten

Die überschätzte Rolle von „Broken Windows“ und die Herausforderungen ethnischer Diversität

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Abstract

Zeichen physischer und sozialer Unordnung im öffentlichen Raum gelten im „Broken Windows“-Ansatz als eine maßgebliche Ursache für Unsicherheitsgefühle und den dadurch verstärkten Niedergang großstädtischer Wohngebiete. Die empirische Bestätigung für diese These ist jedoch schwach, da viele Studien auf subjektiven Wahrnehmungen basieren, welche mit dem Unsicherheitsempfinden eng korreliert sind. Wir untersuchen anhand unabhängiger und systematischer Beobachtungen, welche individuellen und sozialräumlichen Eigenschaften den subjektiven „Wahrnehmungsfilter“ der Bewohner*innen prägen und wie stark die Wirkung von Unordnung auf das Unsicherheitsgefühl tatsächlich ist. Die Auswertungen basieren auf der Bewohner*innenbefragung des Projekts SENSIKO in Köln und Essen mit ca. 6500 Befragten in 140 Wohngebieten sowie auf systematischen sozialen Beobachtungen und Strukturdaten. Es zeigt sich in Übereinstimmung mit früheren Studien, dass die Wahrnehmung sowohl von Unordnung als auch von Unsicherheit maßgeblich vom Anteil der sichtbaren Minderheiten angetrieben wird. Erstmals wird gezeigt, dass dieser Effekt sehr stark von den individuellen Einstellungen der Bewohner*innen zu Migration abhängig ist. Das Ausmaß systematisch beobachteter Unordnung hat über den Effekt der ethnischen Diversität hinaus nur in Essen, nicht aber in Köln einen furchtsteigernden Effekt. Die Ergebnisse unterstreichen die Herausforderung, die dem Zusammenleben in Großstädten durch eine wachsende Migration erwächst, und weisen zugleich auf die starke Kontextabhängigkeit der Wirkungen sozialräumlicher Problemlagen auf das lokale Unsicherheitsempfinden hin.